Jagdfilm Rezension: Wem gehört die Jagd?

Schöne Bilder, aber kein Burner

Selten hat es soviel Vorschusslorbeeren für einen Film von jagdlicher Seite gegeben wie für den Streifen „Auf der Jagd – Wem gehört die Natur“ von Regisseurin Alice Agneskirchner. Der Deutsche Jagdverband und die jagdlichen Medien inszenierten eine gewaltige Vorberichterstattung. Dementsprechend hoch die Erwartungen. Wahrscheinlich waren die jagdlichen Multiplikatoren froh, mal nicht in die Pfanne gehauen zu werden, wie es üblicherweise bei der medialen Jagd-Darstellung sonst an der Tagesordnung ist.

Den Kinostart habe ich leider verpasst, deshalb war ich froh, dass mir ein Freund eine DVD-Fassung überließ. Schon am gleichen Abend verdrängte diese Scheibe das TV-Abendprogramm. Doch schon nach kürzester Zeit breitete sich eine gewisse Lethargie aus. Die Szenen wirken künstlich langgezogen und wirklichkeitsfremd, einordnende Kommentare fehlen. Durch den ganzen Film galoppieren geisterhaft Wölfe, die so nah oder von einer Drohne gefilmt wurden, dass der Eindruck von Wildtieren kaum aufkommen kann. Für die Situation der Jagd in Deutschland werden den Sonderverhältnissen von Gams und Rotwild in den Bergen überbetont.

Großes Geschick bewiesen die Filmemacher beim Casting: Die Darsteller im Film, vor allem die Jäger, kommen recht sympathisch rüber. Beim emotionsgeladenen Thema Jagd fast noch wichtiger als die besten Argumente. Doch erst im Abspann ist zu erfahren, wer die Protagonisten sind und welche Positionen sie vertreten. Keine gute Lösung. Das Konzept dieses Filmes krankt daran, sich nicht zwischen Heimatfilm mit schönen Naturbildern und einer Dokumentation entscheiden zu können. Und es fehlt ein erkennbarer Rahmen, der zum Beispiel den Auftritt der „Crazy Girls“ in Kanada einordnet, die mit ihrer Natürlichkeit eine echte Bereicherung sind.

Eine Erleuchtung, eine wegweisende Betrachtung der Jagd ist dieser Film nicht. Und das Schlimmste, was man so einem Werk vorwerfen kann, es ist stellenweise ziemlich langatmig. Es überrascht nicht, dass es nach dem lauten Bohei vorweg nach dem offiziellen Filmstart sehr ruhig wurde. Dieser Streifen ist durchaus ansehnlich, und er macht auch nichts kaputt, aber bewegen wird er leider auch nichts.

Drückjagd: Halali und Hut ab – eine Frage der Ehre?

Bricht einem keinen Zacken aus der Krone – Hut ab beim HALALI !

Hut ab?!

Im letzten Licht funkelt das herbstliche Laub im Hintergrund. Die Strecke ist gelegt. Die Jagdkorona steht an einer ansehnlichen Strecke. Brüche werden überreicht, die Wildarten verblasen. Nach Schlussworten des Jagdleiters endet das Szenario im Schein der Streckenfeuer mit den Hornsignalen „Jagd vorbei“ und „Halali“. Bei Letzterem ziehe ich unwillkürlich den Hut. Ich bin es gewohnt, für diese Geste einige irritierte Blicke meiner Mitjäger einzufangen. Trotzdem folgen einige zögernd meinem Beispiel. Macht es der Jagdleiter vor, folgt ihm meistens die ganze Jagdgesellschaft.

Ein Jagdkundiger belehrt mich beim Gang zum Auto, dass dieses „Hut ziehen“ nicht nötig, nach den ungeschriebenen jagdlichen Regeln eigentlich sogar Blödsinn sei. Das tue man nur bei Beerdigungen von Menschen, nicht beim Streckelegen von Wild. So sehr mich dieser Typ auch nervt, im Kern hat er recht – so sind die allgemeinen Gepflogenheiten.

Doch müssen wir alles über einen Kamm scheren, muss alles in Reih und Glied nach einem Muster erfolgen wie beim Militär. Wir brechen an einem solchen Tag mit viel Vehemenz in den Lebensraum der Wildtiere ein und versuchen möglichst effektiv Strecke zu machen. Das ist sinnvoll und beschert uns jagdliche Spannung mit hohem Erlebniswert. Diese Erregungskurve ist spätestens beim Streckelegen wieder abgeklungen. Unsere jagdliche Freude, unser Erfolg hat den Wildtieren, die dort liegen, das Leben genommen. Das ruft bei mir eine Mischung aus Dankbarkeit und Demut hervor. Deshalb spüre ich diese innere Bedürfnis, mich vor diesen Geschöpfen, die diesen Tag nicht überlebt haben, zu verneigen. Den Hut zu ziehen.

Einige aus meinem jagdlichen Umfeld meinen, ich sei ein jagdliches Weichei geworden. Vielleicht haben sie damit recht. Denn es schwingt in dieser Geste auch ein gewisses Bedauern mit. Aber ist das denn so schlimm? Ist das ein Zeichen von Schwäche? Eine innere Einstellung muss nicht mehrheitsfähig sein. Obwohl – ich würde mich freuen, wenn alle unserem Wild bei dieser Gelegenheit auf diese Art die letzte Ehre erweisen würden. Ich finde, unser Wild hat das verdient.